Checkliste Behindertentestament
Durch ein Behindertentestament können Kinder mit Behinderung nach dem Ableben ihrer Eltern zusätzlich zu den Leistungen der Sozialhilfe weitere aus dem Nachlass finanzierte Leistungen erhalten. Gleichzeitig wird das Familienvermögen dem Zugriff des Sozialhilfeträgers entzogen. Das gilt auch, wenn ein größeres Vermögen vererbt werden soll.
In dieser Checkliste habe ich verschiedene Regelungs- und Handlungsmöglichkeiten aufgelistet, die aber nicht in jedem Fall passen müssen. Die Beratung durch spezialisierte Fachanwälte für Erbrecht und Sozialrecht sowie durch einen Steuerberater wird dringend empfohlen!
Vorüberlegungen
- Art der Behinderung
- Geschäftsfähigkeit / Testierfähigkeit / Einsichtsfähigkeit?
- Hinzutreten von Abkömmlingen des behinderten Kindes zu erwarten?
- Welche Sozialleistungen werden gewährt, welche sind zukünftig erforderlich?
- Wo lebt das behinderte Kind?
- Eltern?
- Geschwisterkinder?
- weitere Angehörige?
- Wer hat das Sorgerecht?
- Wer kommt zukünftig als rechtlicher Betreuer in Betracht?
- Vermögen (Höhe, Zusammensetzung, Liquidität)
- lebzeitige Schenkungen an Dritte (Pflichtteilergänzungsansprüche!)
Alternative Regelungsmöglichkeiten
- Notarieller Pflichtteilsverzicht des behinderten Kindes möglich?
- Enterbung des behinderten Kindes?
- Vermögensübertragungen an gesundes Kind?
- Ausschlagung des Betreuers für das behinderte Kind?
Behindertentestament
- behindertes Kind wird Vorerbe
- nicht befreiter Vorerbe (nur Erträge Miete, Zinsen des Nachlasses)
- ggf. Befreiung von §§ 2116, 2118, 2119 BGB (Pflicht zur mündelsicheren Anlage etc.)
- Alternative: befreiter Vorerbe (auch Substanz des Nachlasses)
- Person des Nacherben
- Geschwisterkind
- Verein oder Stiftung der Behindertenselbsthilfe
- Ersatznacherben
- 3. Erbquote des behinderten Kindes
- zumindest geringfügig über der Pflichtteilsquote
- verschiedene Quoten für beide Erbfälle!
- Dauertestamentsvollstreckung
- für die Vorerbschaft des behinderten Kindes
- in beiden Erbfällen
- lebenslang
- Person des TV
- grds. nicht dieselbe Person wie Betreuer (Ausn.: Eltern)
- Nachfolger, Ersatz-TV
- Vergütung des TV
- konkreten Verwaltungsanweisungen
- Anweisungen des Erblassers, wie die Vorerbschaft vom TV für den Vorerben zu verwenden ist, z.B. für
- Heilbehandlungen und Hilfsmittel, die von der Krankenkasse nicht (vollständig) gezahlt werden
- Ferien- und Kuraufenthalte
- Besuche bei Verwandten und Freunden
- Theater- und Konzertbesuche
- persönliche Anschaffungen (Möbel, Fernseher)
- Tipp: kein Taschengeld!
- nicht für: Kosten der rechtlichen Betreuung
- Unerwartete Erbfolgen
- Vorversterben des behinderten Kindes
- Vorversterben der Großeltern nach Eltern
- Vorversterben Geschwisterkind
- Änderungsmöglichkeit für länger lebenden Elternteil
- Weitere erbrechtliche Regelungen
- Restquote für überlebenden Ehegatten oder Geschwisterkind
- Schlusserbenregelung für 2. Erbfall mit Ersatzschlusserben
- Einsetzung des überlebenden Ehegatten zum befreiten Vorerben reduziert Pflichtteilslast im 2. Todesfall
- Pflichtteilslast (bei Übergehen Pflichtteilsberechtigter) trägt nur der länger lebende Ehegatte
- ggf. Vermächtnisse für weitere Abkömmlinge (um Pflichtteilslast beim Schlusserbfall zu reduzieren und evtl. Erbschaftsteuer zu sparen)
- Vorausvermächtnis im Hinblick auf lebzeitige Schenkungen (wg. Pflichtteilsergänzungsanspruch des behinderten Kindes)
- Wohnrecht für das behinderte Kind?
- Salvatorische Klausel
Ralf Nieke
Fachanwalt für Erbrecht
Zertifizierter Testamentsvollstrecker